Das Internet, wie wir es heute kennen, wurde ursprünglich als ausfallsicheres Netzwerk entwickelt. Die Grundidee war, dass es auch bei Teilausfällen oder Störungen weiterhin funktionieren sollte. In den 1960er Jahren, als das ARPANET – der Vorläufer des heutigen Internets – geschaffen wurde, lag der Fokus auf Dezentralität. Daten sollten unabhängig von physischen Störungen zuverlässig von Punkt A nach Punkt B gelangen können. Doch diese Ausfallsicherheit ist heute weitgehend eingeschränkt. Warum ist das so, und was hat sich verändert? In diesem Beitrag erfährst du, welche Faktoren dazu geführt haben, dass das Internet nicht mehr so robust ist wie ursprünglich geplant.

Die ursprüngliche Vision: Dezentral und ausfallsicher

Als das ARPANET in den späten 1960er Jahren unter der Leitung des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums entwickelt wurde, stand die Idee der Dezentralität im Vordergrund. Das Ziel war, ein Netzwerk zu schaffen, das auch im Falle von Ausfällen oder Angriffen weiter funktionierte. Das Netzwerk war auf Paketvermittlung (packet switching) ausgelegt, bei dem Daten in kleinen Paketen auf verschiedenen Wegen durch das Netzwerk geschickt werden können. Wenn ein Teil des Netzwerks ausfiel, wurden die Pakete einfach über andere Routen geschickt.

Dieses System sorgte dafür, dass es keine „Single Points of Failure“ gab – also keine zentralen Punkte, deren Ausfall das gesamte Netzwerk lahmlegen würde. Die Idee der Ausfallsicherheit war in das Design des ARPANET eingebaut und wurde zum Grundprinzip des Internets, wie wir es heute kennen.

Warum das Internet heute nicht mehr so ausfallsicher ist

Obwohl die ursprünglichen Prinzipien der Dezentralität und Ausfallsicherheit theoretisch immer noch bestehen, haben sich die Struktur und Nutzung des Internets drastisch verändert. Diese Veränderungen haben dazu geführt, dass das Internet heute weitaus anfälliger für Störungen und Ausfälle ist. Hier sind die Hauptgründe, warum das Internet nicht mehr so ausfallsicher ist, wie ursprünglich gedacht.

1. Zentralisierung von Diensten und Infrastruktur

Einer der größten Unterschiede zwischen dem Internet von damals und heute ist die Zentralisierung. Viele der heute genutzten Dienste und Plattformen werden von wenigen großen Unternehmen kontrolliert. Dazu gehören beispielsweise Google, Facebook und Amazon. Diese Unternehmen betreiben riesige Rechenzentren und Cloud-Infrastrukturen, auf denen zahlreiche Websites und Anwendungen gehostet werden.

Die Abhängigkeit von diesen zentralen Diensten hat dazu geführt, dass das Ausfallen eines großen Anbieters, wie etwa Amazon Web Services (AWS), massive Auswirkungen auf viele Dienste und Websites haben kann. Dies zeigt sich bei großen Ausfällen von Cloud-Providern, die weltweit unzählige Webseiten und Apps für Stunden oder sogar Tage lahmlegen können.

Beispiel: AWS-Ausfall

Ein prominentes Beispiel ist der Ausfall von AWS im Dezember 2021. AWS betreibt einen erheblichen Teil der weltweiten Online-Dienste, darunter große Websites wie Netflix, Spotify und viele mehr. Als AWS für mehrere Stunden ausfiel, waren all diese Dienste für Nutzer auf der ganzen Welt nicht erreichbar.

2. Single Points of Failure

Obwohl das Internet als Ganzes dezentral ist, gibt es heute viele Single Points of Failure. Das sind zentrale Infrastrukturelemente, die ausfallen können und dabei große Teile des Internets beeinträchtigen. Dazu zählen wichtige Unterseekabel, die den globalen Datenverkehr transportieren, sowie zentrale DNS-Server, die die Namen von Websites in IP-Adressen umwandeln.

Wenn eines dieser Elemente ausfällt, kann es weitreichende Auswirkungen auf das Internet haben. Unterseekabel zum Beispiel sind entscheidend für den internationalen Datenverkehr. Wenn ein solches Kabel beschädigt wird, kann das dazu führen, dass der Zugriff auf bestimmte Dienste und Websites für ganze Länder oder Regionen blockiert wird.

3. Cloud-Abhängigkeit

Die Abhängigkeit von Cloud-Diensten ist ein weiteres Problem. Immer mehr Unternehmen verlagern ihre Infrastruktur in die Cloud, da dies kostengünstiger und skalierbarer ist. Allerdings erhöht dies die Abhängigkeit von großen Cloud-Anbietern wie Amazon, Google oder Microsoft. Ein Problem bei einem dieser Anbieter kann schnell dazu führen, dass eine Vielzahl von Diensten weltweit nicht mehr erreichbar ist.

Die Cloud-Anbieter haben zwar in der Regel Backup-Systeme und Failover-Mechanismen, aber diese schützen nicht immer vor großflächigen Störungen. Ein Ausfall eines großen Cloud-Providers kann daher ganze Teile des Internets betreffen.

4. Internet Service Provider (ISP) Abhängigkeiten

Viele Nutzer sind auf Internet Service Provider (ISPs) angewiesen, um überhaupt Zugang zum Internet zu erhalten. Obwohl das Internet als Ganzes dezentral ist, sind die Zugänge, über die die meisten Menschen auf das Internet zugreifen, stark zentralisiert. Wenn ein ISP in einer bestimmten Region technische Probleme hat oder ausfällt, können große Nutzergruppen auf einmal den Zugang zum Internet verlieren – selbst wenn das globale Netzwerk an sich weiterhin funktioniert.

5. Cyberangriffe und DDoS-Attacken

Ein weiterer Grund, warum das Internet heute nicht mehr so ausfallsicher ist, sind Cyberangriffe. Insbesondere Distributed Denial of Service (DDoS)-Angriffe haben in den letzten Jahren an Häufigkeit und Intensität zugenommen. Bei diesen Angriffen wird ein Dienst oder Server mit so vielen Anfragen überflutet, dass er nicht mehr in der Lage ist, reguläre Anfragen zu verarbeiten.

Solche Angriffe können gezielt große Websites, Netzwerke oder sogar wichtige Infrastrukturen lahmlegen und weite Teile des Internets stören. Da immer mehr zentrale Dienste attackiert werden, wird auch das Internet als Ganzes anfälliger.

6. Geopolitische Einflüsse und Zensur

Geopolitische Einflüsse und staatliche Zensur spielen ebenfalls eine Rolle. In manchen Ländern, insbesondere in autoritären Regimen, wird der Internetzugang kontrolliert oder sogar zeitweise abgeschaltet. Beispiele hierfür sind Internet-Shutdowns in Ländern wie Iran oder Myanmar, wo die Regierung gezielt den Zugang zu bestimmten Diensten oder sogar zum gesamten Internet blockiert hat.

Diese Fragmentierung des Internets reduziert die globale Ausfallsicherheit. Wenn Regierungen den Zugang zu wichtigen Infrastrukturen einschränken oder kontrollieren, wird das Internet anfälliger für Störungen in bestimmten Regionen.

7. Wirtschaftliche Zentralisierung

Die wirtschaftlichen Faktoren tragen ebenfalls zur Zentralisierung des Internets bei. Große Unternehmen bündeln ihre Ressourcen in wenigen, zentralisierten Rechenzentren, um Kosten zu sparen und die Effizienz zu steigern. Diese Zentralisierung führt jedoch zu einer Verringerung der Resilienz, da bei einem Ausfall eines Rechenzentrums massive Teile des Internets betroffen sein können.

Fazit: Die verlorene Ausfallsicherheit

Während das Internet technisch gesehen immer noch dezentral ist, haben wirtschaftliche, technologische und geopolitische Faktoren dazu geführt, dass es heute nicht mehr so ausfallsicher ist wie ursprünglich gedacht. Die Abhängigkeit von zentralen Cloud-Anbietern, Internetdienstanbietern und kritischen Infrastrukturkomponenten hat das Risiko von Störungen und Ausfällen erhöht.

Um die ursprüngliche Vision der Ausfallsicherheit wiederherzustellen, müsste das Internet wieder stärker dezentralisiert werden. Dazu gehört unter anderem die Reduzierung der Abhängigkeit von zentralen Anbietern und die Förderung alternativer, unabhängiger Infrastrukturen. In einer zunehmend vernetzten Welt ist es wichtiger denn je, die Resilienz des Internets zu gewährleisten.

Andreas

IT Spezialist, Blogger und Hesse. > Ich habe keine Lösung, aber ich bewundere das Problem. Wenn bereits der Ansatz falsch ist, so führt strenge Logik unweigerlich zum falschen Ergebnis. Nur Unlogik gibt Dir jetzt noch die Chance, wenigstens zufällig richtig zu liegen.