Mehr als eine Million Unterschriften – ein starkes Signal
Die EU-Bürgerinitiative „Stop Destroying Videogames“ hat eine wichtige Hürde genommen: Am Donnerstagabend wurde die Schwelle von 1 Million Unterstützungsbekundungen überschritten – damit ist der Weg frei für eine mögliche Befassung durch die Europäische Kommission. Die Initiative setzt sich dafür ein, dass Publisher dazu verpflichtet werden, verkaufte oder lizenzierte Videospiele in der EU auch weiterhin in einem spielbaren Zustand zu halten.
Auch wenn das Ziel damit formal erreicht wurde, geben sich die Organisatoren nicht zufrieden – sie wollen noch weiter sammeln. Die Angst, dass ein Teil der Stimmen bei der Überprüfung für ungültig erklärt wird, ist nicht unbegründet.
Wer steckt hinter der Initiative?

„Stop Destroying Videogames“ ist ein Ableger des Projekts „Stop Killing Videogames“, das vom YouTuber Ross Scott ins Leben gerufen wurde. Die Kampagne richtet sich gegen das Abschalten von Videospielen oder zentraler Funktionen – etwa Online-Servern oder DRM-Zugängen – durch die Publisher.
Ziel der Initiative ist es, dass Unternehmen, die Spiele oder zugehörige Inhalte in der EU verkaufen oder lizenzieren, verpflichtet werden, diese in einem funktionalen Zustand zu belassen. Also: Wenn du ein Spiel gekauft hast, sollst du es auch in Zukunft noch spielen können – egal, ob die Server abgeschaltet werden oder der Publisher das Interesse daran verliert.
Vom schleppenden Start zum Social‑Media-Erfolg
Im Juni sah es noch nicht so gut aus: Die Kampagne lief eher schleppend, es fehlte rund die Hälfte der nötigen Stimmen. Doch dann kam die Wende – ausgelöst durch eine erfolgreiche Social-Media-Kampagne auf Plattformen wie Reddit und YouTube. Der neue Schwung brachte auch Aufmerksamkeit in klassischen Medien – und innerhalb kurzer Zeit war die magische Marke erreicht.
Übrigens: Auch in Großbritannien, das nicht mehr zur EU gehört, läuft eine separate Petition zum gleichen Thema. Und auch dort wurde die nötige Unterschriftenzahl bereits erreicht.
Ziel: 1,4 Millionen Stimmen bis Ende Juli
Trotz des Meilensteins bei der Unterschriftenzahl ist das Projekt noch nicht am Ende. Die Organisatoren streben nun mindestens 1,4 Millionen Unterstützer an. Der Grund: Man will auf Nummer sicher gehen, falls nachträglich ungültige Stimmen gestrichen werden – was bei EU-Bürgerinitiativen durchaus vorkommen kann.
Die Frist läuft noch bis Ende Juli, also ist noch etwas Zeit, um das Ziel zu erreichen.
Auch nationale Quoten erfüllt – besonders stark in Deutschland
Neben der Gesamtzahl an Stimmen verlangt die EU auch, dass die Initiative in mindestens sieben Mitgliedsstaaten eine bestimmte Mindestanzahl an Unterstützern erreicht. Diese Schwelle ist bereits seit einigen Wochen geknackt – unter anderem in Deutschland.
Besonders beeindruckend: In der Bundesrepublik kamen 230.000 Stimmen zusammen – bei einer erforderlichen Schwelle von etwa 68.000. Alle zusätzlichen Stimmen zählen trotzdem zur Gesamtzahl – jede Stimme hilft also.
Der Auslöser: Ubisofts Abschaltung von „The Crew“
Der Anstoß für die Bewegung kam im Frühjahr: Der französische Publisher Ubisoft schaltete am 1. April sein MMO-Rennspiel „The Crew“ ab – das Spiel wurde damit unspielbar. Für Ross Scott war das mehr als nur ärgerlich. Er bezeichnet das Vorgehen nicht nur als moralisch fragwürdig, sondern möglicherweise sogar rechtswidrig.
Mit seinem Projekt „Stop Killing Games“ möchte er auf diese Praxis aufmerksam machen und zugleich eine rechtliche Überprüfung anstoßen – nicht nur für Ubisoft, sondern für die gesamte Branche.

Weitere prominente Spiele‑Abschaltungen im Überblick
Dass Spiele komplett abgeschaltet werden, ist kein Einzelfall. Neben Ubisofts „The Crew“ (Abschaltung am 1. April) sorgten folgende Beispiele für Empörung:
- “Darkspore” (2011–2016): Das von Maxis entwickelte Action-RPG verlor 2016 seine Server, kurz nach dem Kauf durch Electronic Arts. Spieler konnten gekaufte Inhalte nicht mehr nutzen und hatten keinerlei Möglichkeit, offline zu spielen.
- “The Tomorrow Children” (2016–2017, Reboot 2022–2023): Nach der ersten Abschaltung folgte nach massiver Fanunterstützung ein Relaunch – nur um im Januar 2023 endgültig offline zu gehen. Trotz bezahlter DLCs und In‑Game-Käufe war das Spiel danach unrettbar verloren.
- “Battleborn” (2016–2021): Gearbox’ Multiplayer-Shooter wurde nach mäßigem Erfolg eingestellt. Der Serverbetrieb endete 2021, alle PvP‑Modi waren nicht mehr verfügbar, obwohl das Grundspiel weiterhin im Handel war.
Diese Fälle zeigen, wie stark die Community leidet, wenn einmal erworbene Spiele oder Inhalte nachträglich unbrauchbar werden. Eine EU‑Regulierung könnte hier einen verbindlichen Schutz für Verbraucher schaffen.
Technische und rechtliche Herausforderungen bei der Erhaltung von Spielen
Technische Hürden
- DRM und Online-Abhängigkeiten
Viele moderne Titel setzen auf Online-DRM, um Piraterie zu verhindern. Wird der DRM‑Server abgeschaltet, lässt sich das Spiel im schlimmsten Fall gar nicht mehr starten – selbst für den Singleplayer. - Serverarchitektur und Wartungsaufwand
MMO‑ und Live-Service‑Spiele erfordern komplexe Serverlandschaften. Die Wartung ist kostenintensiv. Ohne ausreichende Spielerzahlen wird der Betrieb oft als unwirtschaftlich eingestuft und eingestellt. - Code‑ und Datenkompatibilität
Langfristige Archivierung erfordert, dass Spielengine, Bibliotheken und Servercode weiterhin lauffähig bleiben. Betriebssystem‑Updates und Hardwarewechsel können ohne regelmäßige Anpassungen dazu führen, dass der Code nicht mehr kompatibel ist.
Rechtliche Aspekte
- Vertragsrecht vs. Urheberrecht
In den AGB vieler Publisher ist das Recht eingearbeitet, den Service nach freiem Ermessen einzustellen. Verbraucher kaufen jedoch ein Produkt – und erwarten im zivilrechtlichen Sinne eine dauerhaft funktionierende Ware. - Gewährleistungsfristen und digitale Produkte
Gewährleistungszeiträume für physische Güter betragen in der EU oft zwei Jahre. Ob und wie sich das auf digitale Produkte wie Videospiele übertragen lässt, ist rechtlich umstritten. - Klauseln zur Abschaltung in Nutzungsvereinbarungen
Publisher schützen sich häufig durch Klauseln, die einen Hinweis auf mögliche Abschaltungen enthalten. Ob diese Klauseln angesichts der Wertminderung des Produkts wirksam sind, muss möglicherweise gerichtlich geklärt werden.