Stell dir vor, du müsstest 16 Kilogramm mit dir herumschleppen, nur um unterwegs telefonieren zu können. Und das Ganze würde dich auch noch so viel kosten wie drei VW Käfer zusammen. Klingt absurd? Willkommen in den Anfängen der mobilen Telefonie in Deutschland! Die Geschichte des Mobiltelefons ist eine Achterbahnfahrt aus genialen Ideen, spektakulären Fehlentscheidungen und technologischen Durchbrüchen, die unseren Alltag komplett verändert haben.
Die schweren Anfänge: Als Telefonieren noch Muskelkraft erforderte
Die Story beginnt 1952 in Bremen, wo das erste dokumentierte Autotelefon in ein Taxi eingebaut wurde. Mit seinen 16 Kilogramm war das Gerät ein wahres Schwergewicht, und der Preis von 15.000 Mark hätte damals etwa dreimal einen VW Käfer gekauft. Das war kein Schnäppchen, sondern ein Luxusgut für Großunternehmer und Politiker.
Mit der Einführung des A-Netzes 1958 durch die Deutsche Bundespost kam dann das erste flächendeckende Mobilfunknetz nach Deutschland. Aber mobil war hier relativ: Die Gespräche mussten noch handvermittelt werden, und an bezahlbare Preise war nicht zu denken. Das Standardmodell B72 der Firma TeKaDe kostete astronomische 15.000 Mark. Außerdem waren die Autotelefone so kompliziert zu installieren, dass bereits der Einbau ein kleines Vermögen verschlang.
In den folgenden Jahrzehnten purzelten die Kilos langsam: 1972 schaffte Ericsson es, ein Autotelefon auf unter 10 Kilogramm zu trimmen. Das war schon mal ein Fortschritt, aber das Gerät blieb fest mit dem Auto verbunden. Erst 1982 sorgte das B-Netz-Telefon Mobira Senator von Nokia für mehr Mobilität – mit immerhin noch stattlichen 9,8 Kilogramm und einem Tragegriff. Von einem echten Handy war man da noch weit entfernt.
Der große Durchbruch: Martin Cooper und das erste echte Mobiltelefon
Am 3. April 1973 passierte etwas Historisches: Martin Cooper von Motorola führte in New York City das erste öffentliche Telefonat über ein echtes Mobiltelefon. Das Motorola DynaTAC wog zwar immer noch über ein Kilo und hatte eine Akkulaufzeit von mageren 25 Minuten, aber es war ein Meilenstein. Coopers erster Anruf ging übrigens an seinen Konkurrenten Joel Engel von Bell Labs – um ihm zu zeigen, wer technisch die Nase vorn hatte. Legendär!
Es dauerte allerdings noch bis 1983, bis das DynaTAC 8000x kommerziell auf den Markt kam. Für stolze 4.000 US-Dollar, was heute inflationsbereinigt etwa 9.600 Dollar entspricht. Trotz des hohen Preises und des beachtlichen Gewichts von 794 Gramm war das Gerät ein Verkaufsschlager.
Deutschland wird mobil: Die Ära der D-Netze beginnt
Ein echter Wendepunkt für Deutschland kam am 7. Dezember 1989, als die Bundesregierung die erste private GSM-Lizenz vergab. Das Monopol der Deutschen Bundespost war gebrochen. Den Zuschlag erhielt ein Konsortium unter Führung von Mannesmann, aus dem später Vodafone Deutschland werden sollte.
Am 30. Juni 1992 kam dann das erste Handy für den deutschen Markt auf den Markt: das Motorola International 3200, liebevoll „Knochen“ genannt. Mit 520 Gramm war es ein Leichtgewicht im Vergleich zu seinen Vorgängern, aber der Preis hatte es in sich: 3.000 bis 8.000 DM mit Vertrag. Zum Vergleich – das waren die Preise für Gesprächsminuten im D2-Netz 1992: 1,99 DM von Montag bis Freitag zwischen 9 und 18 Uhr, 0,99 DM zu anderen Zeiten und am Wochenende, und 0,69 DM für Ortsgespräche.
Trotz dieser horrenden Kosten wurden bereits im Sommer 1992 die ersten 1.000 kommerziellen Mobiltelefone ausgeliefert und fanden sofort reißenden Absatz. Die Menschen waren bereit, für diese neue Freiheit zu zahlen.
Nokia: Vom Papierhersteller zum Handy-König

Eine der faszinierendsten Geschichten ist die von Nokia. Das finnische Unternehmen, 1865 als Papierfabrik gegründet, hatte sich über die Jahrzehnte zu einem Mischkonzern entwickelt, der auch Gummistiefel und Kabel produzierte. Erst in den 1980er Jahren stieg Nokia in die Telekommunikation ein.
1987 brachte Nokia sein erstes Mobiltelefon auf den Markt, das Mobira Cityman 900. Mit nur 800 Gramm war es eine kleine Sensation – und wurde 1989 weltberühmt, als Michail Gorbatschow es während seines Deutschlandbesuches nutzte, um sein Büro in Moskau über die Wiedervereinigungspläne zu informieren. Der Spitzname „Gorba“ war geboren.
Doch der wahre Durchbruch kam mit dem Nokia 3210 im Jahr 1999. Das erste Handy ohne externe Antenne wurde ein Megaerfolg mit rund 160 Millionen verkauften Exemplaren weltweit. Noch legendärer ist das Nokia 1100, das bis 2013 über 250 Millionen Mal verkauft wurde – das bestverkaufte Handy aller Zeiten.
Von 1998 bis 2011 war Nokia ununterbrochen Weltmarktführer bei Mobiltelefonen. 2007 erreichte das Unternehmen seinen Höhepunkt mit 437 Millionen verkauften Geräten und einem Marktanteil von etwa 40 Prozent. Nokia war nicht nur ein Hersteller, sondern ein Synonym für Handys geworden.
Der große Irrtum: Als Nokia das iPhone unterschätzte
Dann kam der 9. Januar 2007. Steve Jobs stellte das erste iPhone vor und pries es als revolutionäres Gerät an, das Telefon, iPod und Internet-Browser in einem vereinte. Mit seinem 3,5-Zoll-Display, kapazitivem Touchscreen und eleganter Gestensteuerung war es tatsächlich ein Quantensprung.
Nokias CEO Olli-Pekka Kallasvuo soll damals gesagt haben: „Das iPhone ist nichts weiter als ein Nischenprodukt.“ Ein fataler Irrtum. Während Nokia weiter auf klassische Handys und sein Symbian-Betriebssystem setzte, eroberte Apple mit iOS eine neue Welt. Das iPhone verkaufte sich bereits in der ersten Generation 6 Millionen Mal.
Nokia hatte dabei die Smartphone-Zukunft längst erkannt – schon in den 1990er Jahren hatte das Unternehmen moderne Smartphone-Prototypen und sogar einen Tablet-Computer entwickelt. Doch interne Kämpfe, eine Unternehmenskultur der Angst und das Ausruhen auf vergangenen Erfolgen lähmten die Innovation. Als Nokia 2011 versuchte, mit der Lumia-Reihe und Windows Phone gegenzusteuern, war es bereits zu spät.
Nokias Absturz war dramatisch: Von 50 Prozent Marktanteil 2007 auf 3,5 Prozent 2012. In nur sechs Jahren war der Weltmarktführer Geschichte. 2013 verkaufte Nokia seine Handysparte an Microsoft für 5,44 Milliarden Dollar. Ein trauriges Ende einer Ära.
Die Smartphone-Revolution: Mehr als nur ein Telefon
Das iPhone läutete nicht nur das Ende einer Handy-Epoche ein, sondern revolutionierte unseren Alltag komplett. Als im Juli 2008 der App Store startete, öffnete sich eine völlig neue Welt. Plötzlich konnte jeder Entwickler Programme für das iPhone schreiben. 2009 kam dann WhatsApp dazu und veränderte für immer, wie wir kommunizieren.
Mit dem iPhone 4 führte Apple 2010 die FaceTime-Videoanrufe ein und setzte mit dem hochauflösenden Retina-Display neue Maßstäbe. Das iPhone 5 (2012) wuchs auf 4 Zoll, das iPhone 6 (2014) auf 4,7 Zoll und das 6 Plus auf 5,5 Zoll. Der Trend ging eindeutig zu größeren Displays.
Aber auch Android machte Riesensprünge. Samsung übernahm 2012 die Marktführerschaft von Nokia und hält sie bis heute. Die Südkoreaner und später auch chinesische Hersteller wie Huawei und Xiaomi setzten auf Vielfalt, innovative Features und günstigere Preise.
Die Gegenwart: KI und immer mehr Funktionen
Heute, im Jahr 2025, sind Smartphones zu wahren Taschencomputern geworden. Apple, Samsung und Google wetteifern mit komplexen KI-Anwendungen um die Gunst der Käufer. KI-gestützte Fotobearbeitung, professionelle 8K-Videoaufnahmen, faltbare Displays und 5G-Konnektivität sind Standard geworden.
In Deutschland nutzen rund 62,6 Millionen Menschen Smartphones, und 97,6 Prozent der deutschen Haushalte verfügen über mindestens ein Mobiltelefon. Weltweit gibt es etwa 8 Milliarden Mobilfunkanschlüsse – mehr als Menschen auf der Erde.
Braucht man heute noch Festnetz?
Eine spannende Frage in dieser mobilen Welt: Braucht man überhaupt noch Festnetz? Die Statistiken sprechen eine klare Sprache. 2004 hatten noch 95,1 Prozent der deutschen Haushalte einen Festnetzanschluss, während nur 72,1 Prozent ein Mobiltelefon besaßen. Bis 2023 drehte sich das Verhältnis: Der Festnetzanteil sank nur leicht auf 91,5 Prozent, während die Handyverbreitung auf 93,6 Prozent kletterte.
Noch interessanter wird es bei den tatsächlich geführten Gesprächen: 2005 telefonierten Deutsche durchschnittlich 198 Minuten pro Monat über Festnetz und nur 43 Minuten mobil. 2023 hatte sich das Verhältnis komplett umgekehrt: Nur noch 64 Minuten im Festnetz, aber 153 Minuten mobil. Laut Umfragen telefonieren 51 Prozent der Deutschen privat ausschließlich mobil.
Das Festnetz ist also noch da, wird aber immer weniger aktiv genutzt. Viele halten den Anschluss nur noch, weil er im Paket mit DSL oder Kabel-Internet kommt.
Wo sind die Telefonzellen hin?
Eines der sichtbarsten Opfer der Smartphone-Revolution sind die Telefonzellen. 2007 gab es in Deutschland noch etwa 110.000 öffentliche Telefone, davon 100.000 von der Telekom. Dann begann der dramatische Rückgang: 2013 waren es noch 48.000, 2017 nur noch 20.000, und Anfang 2022 gerade einmal 14.200 Telefonzellen.
Am 21. November 2022 wurde bundesweit per Fernwartung die Münzannahme deaktiviert. Ende Januar 2023 folgte die Abschaltung der Telefonkartenfunktion. Damit endete nach 142 Jahren eine Ära. Die Telekom ist aktuell noch immer mit dem Abbau der letzten 12.000 Telefonhäuschen und -säulen beschäftigt. Der Abbau ist komplex: Betonfundamente müssen ausgegraben, Genehmigungen eingeholt und in manchen Städten sogar Kampfmittelfreiheit nachgewiesen werden.
Die legendären gelben Telefonzellen gibt es schon seit 2019 nicht mehr – die letzte wurde im Oktober 2019 am Königssee abgebaut und erhielt eine stilvolle Abschiedsfahrt per Fähre. Einige ausrangierte Telefonzellen haben ein zweites Leben gefunden: als Bücherschrank, Mini-Bibliothek, Eiskiosk, Tonstudio oder sogar als Duschkabine.
Für viele Ältere sind Telefonzellen nostalgische Erinnerungen: der charakteristische Geruch nach modrigem Telefonbuchpapier, die Schlange von Wartenden, der Spruch „Fasse dich kurz!“ und das hektische Nachwerfen von Münzen, bevor die Verbindung unterbrochen wurde. Für Menschen unter 30 ist das alles fremd – sie sind die Generation Smartphone.
Die Irrwege und Highlights der Mobilfunk-Geschichte
Nicht alles in der Geschichte des Mobiltelefons war ein Hit. Einige Entwicklungen erwiesen sich als Sackgassen:
Die Irrwege:
Das WAP-Handy von Nokia (Nokia 7110) sollte das Internet aufs Handy bringen, blieb aber ein unausgereifter Versuch mit textbasierten, mickrigen Webseiten. Die Bedienung war eine Qual, und niemand wollte wirklich so im Internet surfen.
Windows Phone von Microsoft und Nokia war technisch solide, kam aber zu spät und konnte sich nie gegen iOS und Android durchsetzen. Der App-Store war zu dürftig, und die Nutzer hatten sich längst für andere Ökosysteme entschieden.
Das Nokia Internet Tablet 770 (2005) mit Touchscreen kam fünf Jahre vor dem iPad, erwies sich aber als zu nerdig und unausgegoren. Ein typischer Fall von „richtige Idee, falscher Zeitpunkt“.
Motorolas RAZR V3 (2003) war zwar ein Riesenerfolg als ultradünnes Klapphandy, erwies sich aber als Sackgasse, da die Zukunft dem Touchscreen-Smartphone gehörte.
Die Highlights:
Die SMS-Funktion, die Anfang der 1990er Jahre eingeführt wurde, revolutionierte die Kommunikation. Plötzlich konnte man schnell eine Nachricht schreiben, ohne ein Gespräch führen zu müssen. SMS wurde zur meistgenutzten Handyfunktion nach der Telefonie.
Das Nokia 3310 (2000) mit seiner legendären Haltbarkeit, dem Kult-Spiel „Snake“ und einer Akkulaufzeit von bis zu 22 Stunden Gesprächszeit oder einem Monat Stand-by. Ein Gerät für die Ewigkeit.
Die Einführung von Kamera-Handys veränderte unsere Beziehung zu Fotos komplett. Das Toshiba Camesse war das erste Handy mit integrierter Kamera, doch Nokia 7650 (2002) machte Fotohandys massentauglich.
Das iPhone (2007) mit seinem revolutionären Touchscreen, der App-Store (2008) und die damit verbundene Smartphone-Revolution sind natürlich die absoluten Highlights, die unsere Welt verändert haben.
Die Entwicklung vom C-Netz (1985) über D-Netz (1992), UMTS/3G (2004), LTE/4G (2015) bis zu 5G (2019) brachte immer schnellere Datenraten und machte das Smartphone erst zum multimedialen Alleskönner.
Warum war das Handy so erfolgreich?

Der Erfolg des Mobiltelefons lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen:
Freiheit und Unabhängigkeit: Zum ersten Mal in der Geschichte konnten Menschen überall und jederzeit erreichbar sein, ohne an einen festen Ort gebunden zu sein. Diese Freiheit war unbezahlbar.
Kontinuierliche Verbesserung: Die Technologie entwickelte sich rasant. Geräte wurden kleiner, leichter, leistungsfähiger und erschwinglicher. Jede Generation brachte neue Features und Verbesserungen.
Netzwerkeffekt: Je mehr Menschen ein Handy hatten, desto nützlicher wurde es. SMS, WhatsApp und soziale Medien verstärkten diesen Effekt noch mehr.
Konvergenz: Das Smartphone vereinte in einem Gerät, was früher viele separate Geräte waren: Telefon, Kamera, MP3-Player, Wecker, Taschenrechner, Navi, Computer und vieles mehr. Diese Konvergenz war extrem attraktiv.
Einfache Bedienung: Anders als frühe Computer waren Handys von Anfang an so gestaltet, dass auch technisch weniger versierte Menschen sie nutzen konnten. Mit dem iPhone wurde die Bedienung sogar kinderleicht.
App-Ökosystem: Mit dem App Store öffnete sich eine Welt unendlicher Möglichkeiten. Jeder konnte Programme entwickeln, die das Smartphone noch nützlicher machten.
Fazit: Eine Revolution, die weitergeht
Von den 16-Kilo-Koffern der 1950er Jahre bis zu den KI-gestützten Smartphones von 2025 – die Geschichte des Mobiltelefons ist eine Geschichte von menschlichem Erfindergeist, technologischem Fortschritt und gesellschaftlichem Wandel. Deutschland spielte dabei eine wichtige Rolle, von den ersten Autotelefonen über die Einführung der digitalen D-Netze bis hin zur heutigen 5G-Infrastruktur.
Die Telefonzellen sind verschwunden, das Festnetz wird immer unwichtiger, und Nokia ist im Grunde nur noch eine Erinnerung an vergangene Zeiten. Auch wenn es den Markennamen noch immer gibt. Aber die Geschichte lehrt uns auch: In der Technikbranche gibt es keine Garantien. Wer nicht innoviert, wer den Wandel verschläft oder die falschen Entscheidungen trifft, kann selbst als Marktführer in Windeseile verschwinden.
Die nächste Revolution steht möglicherweise schon vor der Tür. Ob es 6G, faltbare Displays, AR-Brillen oder etwas völlig Neues sein wird – eines ist sicher: Die Geschichte des Mobiltelefons ist noch lange nicht zu Ende geschrieben. Und wir alle sind Teil dieser faszinierenden Reise.
